was ist eine Schubvektorsteuerung
Die Schubvektorsteuerung – im Englischen „thrust vector control“ oder kurz TVC – ist das „Lenkrad“ der Rakete. Durch das Umleiten der Ausstoßgase des Raketenmotors kann sich die Rakete mit den entstehenden seitlichen Kräften sowohl in der Luft als auch im Vakuum gezielt im Raum bewegen. Unser System lenkt in seiner finalen Form die Motorflamme mithilfe einer Düse um, die mit einer gyroskopischen Aufhängung frei im Raum drehbar ist. Bewegt wird diese von mehrerer Linearservos, die von unserem Bordcomputer angesteuert werden.
Wahl der Raketenmotoren
Der Jungfernflug unserer Atmoventus H wird nicht mit dem größtmöglichen Motor stattfinden. Stattdessen werden wir nach einigen stationären Tests, bei denen die Rakete den Boden nicht verlässt, das erste Mal mit weitaus schwächeren Motoren starten. Deshalb entwickelten wir eine Gyroskopaufhängung, die sowohl für Tests mit kleinen als auch später beim Flug mit einem weit stärkeren Antrieb verwendbar ist.
Anders als das TVC-System für einen großen Motor, bei dem sich nur die Düse bewegt, dreht unser kleines TVC-System die gesamte Brennkammer inklusive des Festtreibstoffes mit. Wir verwenden zwei I55 Motoren aus Cesaronis pro38 Produktreihe. Mit 7,2 Sekunden Brennzeit feuern diese 38 mm Motoren verglichen mit den meisten Feststoffraketenmotoren sehr lange. Wir benötigen diese lange Brennzeit, da eine Schubvektorsteuerung nur bei laufendem Motor funktioniert und wir somit die Zeit, in der wir aktiv steuern können, maximieren.
Aufbau der Gyroskopaufhängung
Die Motorenaufhängung besteht aus zwei Ringen, die auf senkrecht zueinanderstehenden Achsen rotierbar sind. Der äußere Ring ist mit zwei Kugellagern in der Rakete aufgehängt und kann mit einem P16 Linear Actuator mit einer Kraft von bis zu maximal 300 N um die X-Achse bewegt werden. Senkrecht zur X-Achse befindet sich die Aufhängung des Innenrings auf der Y-Achse, die auch aus zwei Kugellagern besteht. Der Innenring selbst besteht aus mehreren Komponenten: Zwei Rohre, in denen die 38 mm-Motoren verschraubt werden, einen oberen Haltering, der die Hauptlast bei brennendem Motor trägt und einem unteren Haltering zur Stabilisierung. Verbunden sind diese Ringe durch zwei seitliche Klammern, auf denen mittig die Aufhängungspunkte der Kugellager für die Y-Achse liegen. Dieser gesamte Innenring wird durch zwei oder vier PQ12-P Linear Actuators mit bis zu 200 N relativ zum Außenring bewegt. So ist es uns möglich, flüssig Schubvektoren von bis zu 17° von der senkrechten Z-Achse in jede Richtung zu erzeugen. Die maximale Auslenkung ist hier durch die Länge der Motoren und den Innendurchmesser des Körperrohres der Rakete begrenzt.
Als Baumaterial verwenden wir eine hochfeste Aluminiumlegierung, dank der die gesamte Aufhängung nur ca. 550 Gramm wiegen wird, aber dennoch Belastungen bis zu 500 N aushält. Auch ist der Innenring so konzipiert, dass für den Einsatz mit einem großen 75 mm-Motor nur die Halteringe mit den Motorrohren entfernt werden müssen, um eine entsprechende Düse einzubauen.
Zwar sind wir noch auf der Suche nach einer Firma, die als Sponsor das Fräsen unserer Teile preiswert durchführen könnte, konnten wir bisher ein Modell im Maßstab 1:2 aus PLA-Plastik 3D-drucken und die dazugehörende MCB-Elektronik zusammensetzen und testen (jetzt auf YouTube ansehen). Bald werden wir auch einen PLA-Prototyp in Naturgröße herstellen und gemeinsam mit einem Prototyp unseres MCBs die Funktionsfähigkeit testen. Dies soll noch im September 2019 geschehen und ist gleichzeitig eines der Ziele, die wir uns für die Arbeitsphase des Sommers 2019 gesetzt haben.